100 Jahre Hamburger VHS
FOTOS | HAMBURGER VHS; PRIVAT 1951: Kurs im Arbeitslosen- bildungswerk. 1967: Dr. Kurt Meissner (rechts) wird Leiter der Hamburger VHS. 24 | 100 JAHRE HAMBURGER VOLKSHOCHSCHULE GESCHICHTE | helfen, die Schwere der Zeit zu überwin- den“. Dazu trug auch die „Tages-Volkshochschule für Arbeitslose“ bei, die von Betroffenen kosten- los besucht werden konnte. 1967 übernahm Dr. Kurt Meissner den Direktoren-Posten. Er leitete die „Realistische Wende“ ein. Meissner setzte auf Lernzielorientie- rung und Professionalisierung. Er stellte haupt- berufliche Pädagoginnen und Pädagogen ein, die Kursprogramm und -inhalte erstellten. Zudem führte Meissner Zertifikate ein, die Teilnehmen- de erwerben konnten. Meissner leitete die Ham- burger VHS in gesellschaftlich unruhigen Zeiten. 1968 ging die Jugend auf die Barrikaden. An der Universität protestierten Studentinnen und Stu- denten gegen den „Muff von 1.000 Jahren“. Die Volkshochschule wirkte im Gegensatz zur Uni- versität modern. Sie hatte ihr Programm immer wieder an gesellschaftliche Trends angepasst, so spielten Fragen des Umweltschutzes und Themen der Frauenbewegung im Programm eine Rolle. Zur Auswahl standen 1968 etwa ein Theaterkurs mit einer „Auswahl von Stücken zumThema: Frauen lehnen sich auf “ oder „Vogelschutz“ im heimischen Garten und Exkursionen in die Natur. Meissner gründete zudem die „Junge Volkshochschule“: Kritische Politik war das The- ma und „Mehr Demokratie wagen“ das Motto. Meissners Reformen brachten Erfolg: 1975 gab es 94.000 Hörerinnen und Hörer – 1967 waren es noch 53.000 gewesen. Angebot weitet sich aus Ende der Siebzigerjahre wurde das Thema An- alphabetismus für die Erwachsenenbildung ent- deckt und die VHS bot dazu Kurse an. „Bildung für alle“, der Leitspruch von 1919, sollte auch für Menschen gelten, die nicht schreiben und lesen konnten. Generell weitete sich das Angebot aus: Kurse des „Künstlerischen Laienschaffens“ machten ein Fünftel des Programms aus, Natur- wissenschaften immerhin 17 Prozent, Seminare aus den Themengebieten Politik, Gesellschaft, Staat und Geschichte hingegen nur noch sieben Prozent. Meissner leitete die Volkshochschule bis 1989. In seinen letzten Amtsjahren kam es zu einer fundamentalen Änderung: Auf Wunsch der Politik wurde der Übergang der VHS in einen wirtschaftlich eigenständigen Landesbetrieb geplant. Bislang gehörte die Volkshochschule zur Schulbehörde. Die von den Teilnehmenden gezahlten Kursgebühren flossen direkt in den Staatshaushalt. Das wurde nun anders: Die VHS verwaltete ihre Mittel selber. Eines von Meissners wichtigsten Ziele blieb unerreicht: ein „Hambur- ger Bildungszentrum für Erwachsene“ in einem eigenen, zentralen VHS-Haus. Mit dem neuen Landesbetrieb herrschte in der Volkshochschule große Aufbruchstimmung. 4.000 Kurse bot die VHS 1993/94 an. Das Ange- bot steigerte sie so um mehr als 20 Prozent. Und es wurde immer bunter und vielfältiger. Wissen zu vermitteln war nur noch eine Aufgabe, die Freizeit rückte stärker in den Fokus der Hörerin- nen und Hörer: Kleidungsstücke selber herzu- stellen, T-Shirts mit Batik zu verschönern oder Sprachen für den Urlaub zu lernen. In der Sternschanze fand die VHS-Zentrale eine neue Heimat. Dort und in den Stadtteilen experimentierten Mitarbeitende und Kurslei- tende vermehrt mit neuen Formaten, Kursen und Projekten. Technik prägte immer mehr den Alltag, das spiegelte auch die VHS in den frühen Zweitausenderjahren. Das Internet spielte
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