100 Jahre Hamburger VHS

FOTOS | STAATSARCHIV HAMBURG: WILLI BEUTLER, ERICH ANDRES; HAMBURGER VHS WALTER CARL SCHIRREN (31.7.1889 - 19.5.1970) Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten begann für Walter Carl Schirren eine schwere Zeit. „Der erste Schaden, den ich durch die nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen erlitt, war meine unmittelbar nach der Machtergreifung er- folgte Entlassung als Dozent an der Hamburger Volkshochschule, wo ich in jedem Semester gleichzeitig vier gut besuchte Kurse laufen hatte, die mir jährlich ca. 3000 Mark einbrachten“, berichtete er später. Er hatte seit dem Wintersemes- ter 1930/31 Kurse zu Themen wie „Grundlagen des Sozialismus“ oder „Eine Ein- führung in den Marxismus“ angeboten. Doch das Ende seiner Kursleitertätigkeit war nicht die schlimmste Form der Diskriminierung, die er erlitt. Vom 4. März bis 5. Juni 1933 war er für drei Monate im Zuchthaus Fuhlsbüttel inhaftiert. Nach einer kurzen Zeit in Freiheit sperrte die SS ihn dann erneut ein, vom 11. Februar bis zum 12. Mai 1934 litt er drei weitere Monate im berüchtigten Konzentrationslager Fuhls- büttel. Schwere Misshandlungen waren dort an der Tagesordnung. Verfolgt wurde Schirren, weil er Freimaurer und ein Freidenker war. 1928 war er in die Freimaurerloge „Zur aufgehenden Sonne“ eingetreten. Als die Nationalsozia- listen 1933 die Freimaurerlogen auflösten, verfolgten sie auch Schirren. Nach der Haft entschloss er sich, nach Kopenhagen zu flie- hen. Als die Wehrmacht 1940 in Dänemark einmarschierte, ging er weiter nach Stock- holm. Schirren starb 1970 in Stockholm. Frauenkurs im Winter 1930/31: ein praktischer Kurs über zweckmäßige und zeitgemäße Kleidung. in den letzten Kriegsjahren, obwohl Hamburg schwer von den Alliierten bombardiert worden war, ging der Betrieb weiter. Seit dem Herbst 1944 leitete Fritz Blättner die Volksbil- dungsstätte. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern war er kein überzeugter Nationalsozialist. Er war ein Opportunist. Er diente sich dem NS-Regime an, trat 1937 in die NSDAP ein, um endlich Pro- fessor der Pädagogik zu werden. Wieder den Idealen verpflichtet Nach dem Krieg wurde aus der Volksbildungs- stätte wieder die Volkshochschule. Der Name änderte sich, ansonsten blieb vieles beim Alten. 73 Kursleiter und -leiterinnen, die in der Zeit des Nationalsozialismus unterrichtet hatten, durften weitermachen. Lediglich 22 Kursleitende, die vor 1933 für die VHS tätig gewesen waren, boten wieder Kurse an. Auch Blättner behielt zunächst sein Amt. Mit ihm wollten die Briten den demokratischen Neuanfang wagen, die Volkshochschule sollte erneut dabei helfen, die Hamburger für die Demokratie zu begeistern. Doch dann gingen bei der britischen Militär- regierung mehrere Beschwerden über „den braunen Blättner“ ein. Er selbst sprach später von „Denunziationen und Intrigen“. Er verließ Hamburg und nahm die Berufung zum Professor in Kiel an. 1946 wurde Hermann Vogts Leiter der VHS. Er blieb zwei Jahrzehnte im Amt. Wie Adams war er sozialdemokratischer Lehrer und hatte bereits vor der NS-Zeit an der VHS unter- richtet. Adams hatten die Nationalsozialisten im Konzentrationslager Buchenwald ermordet. Die Volkshochschule nach 1945 verpflichtete sich wieder ihren Idealen: Arbeitsgemeinschaften statt Frontalunterricht, eigene Kurse für Frauen und Jugendliche kamen erneut ins Programm. Vogts war zudem die Völkerverständigung wich- tig, darauf wurden die Sprachkurse ausgerichtet, dazu bot die VHS Studienreisen ins Ausland an. Politische Bildung spielte eine geringere Rolle – kontroverse Themen packten einige Kursleitende dennoch an. Ein Thema war die „Ausschaltung von Nationalsozialisten aus leitenden Stellungen“. In den Fünfzigerjahren sollten die Kurse auch „dem Körper, dem Geist und dem Gemüt SICH WIEDER IHREN IDEALEN: ARBEITSGEMEIN- SCHAFTEN STATT FRONTALUNTERRICHT, EIGENE KURSE FÜR FRAUEN UND JUGENDLICHE.

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