100 Jahre Hamburger VHS
KÄTE KÜHL-LORENZEN (21.12.1897 - 20.2. 1957) „Rhythmische Körperschulung“ hieß ihr erster Kurs für die Volkshochschule: Die Gymnastiklehrerin Käte Kühl-Lorenzen bot ihn im Winterhalbjahr 1930/31 im Saal des Wilhelm-Gymnasiums im Grindelviertel an. Freitagabends von acht bis zehn Uhr, offen für Frauen und Männer. Im Programm hieß es: „Die Gymnastikkurse ver- folgen keine sportlichen Zwecke, sondern wollen den Berufstätigen Gelegenheit geben, ihren Körper in rhythmischer Schulung durchzubilden. Diese Kurse sollen zugleich auch der Bereicherung des seelischen Lebens dienen.“ Im Sommerhalb- jahr 1933 endete Kühl-Lorenzens Engagement für die VHS schon wieder – zwangs- weise. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden alle Bewegungs- kurse aus dem Programm gestrichen. Im selben Jahr wurde Kühl-Lorenzen aus dem Schuldienst entlassen, weil ihre Mutter Jüdin war. Ihr Ehemann, ein SA-Mann, ließ sich kurz darauf von ihr scheiden. Sie unterrichtete privat weiter und gründete eine eigene Gymnastikschule, die sie aber später wieder schließen musste. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlaubte die britische Militärregierung Kühl-Lorenzen die Wie- deraufnahme des Schulbetriebs. Ab dem Wintersemester 1945/46 gab sie dann auch wieder Kurse an der Volkshochschule wie „Wirkungen der Körpererziehung auf das seelische und geistige Leben“ und „Rhythmische Körpererziehung für Frau- en“. Käte Kühl-Lorenzen starb 1957 im Alter von 59 Jahren. Dr. Kurt Adams: Der Experte in der Erwachsenenbildung, von 1929-1933 Leiter der Hamburger VHS, setzte auf Arbeits- gemeinschaften. 20 | 100 JAHRE HAMBURGER VOLKSHOCHSCHULE 100 JAHRE HAMBURGER VHS | Er setzte auf Arbeitsgemeinschaften, in denen die Hörerinnen und Hörer mit dem Do- zenten diskutieren und Fragen stellen konnten. Sein Ziel, ein neues Abendvolkshochschulhaus aufzubauen, konnte er nicht umsetzen. Noch immer verfügte die Hamburger Volkshochschule über keine eigenen Räume – abgesehen von der kleinen Geschäftsstelle an der Moorweide. Adams nahm erstmals Gymnastik ins Pro- gramm auf, vor allem aber baute er die Politische Bildung aus, bot gesonderte Kurse für Jugend- liche und für Frauen an. So thematisierten im Wintersemester 1930/31 Arbeitsgemeinschaften die Rolle der Frau in der Gesellschaft und in der Wirtschaft. Auch Männer konnten diese Kurse besuchen. Margarete Uetzmann, Abgeordnete der liberalen Deutschen Demokratischen Partei, bot etwa den Kurs „Frauenfragen der Gegenwart. Gemeinsame Betrachtungen über Ehe, Familie, Mutterschaft in ihren menschlichen und recht- lichen Beziehungen“ an. Die Hamburger VHS hatte mit dem neuen Programm Erfolg: Die Zahl der Teilnehmenden stieg um 43 Prozent. 9.787 Hörerinnen und Hörer meldeten sich an. Da- runter waren viele Arbeiterinnen und Arbeiter. Angebot ändert sich radikal Erst die Weltwirtschaftskrise, die in den Drei- ßigerjahren Deutschland erfasste, steigende Arbeitslosenzahlen brachte und viele Familien in die Armut stürzte, sorgte für rückläufige Anmeldezahlen. Die VHS reagierte auf die Not der Erwerbslosen und richtete kostenlose Semi- nare ein. Angeboten wurde für sie etwa „Gutes Deutsch in Wort und Schrift“ oder „Wie lerne ich richtig denken?“. 6.408 Teilnehmende besuchten diese Sonderkurse, die sie von ihrem „Schicksal ablenken“ sollten, wie Adams schrieb. Viele Volkshochschulen in Deutschland schlossen in diesen Jahren. In Hamburg blieb die VHS bestehen, musste aber sparen. Und das war in diesen Jahren nicht das einzige Problem. Die Nationalsozialisten profitierten von der Krise, wurden politisch stärker und bekämpften in Hamburg die VHS. Die Parteipresse der NSDAP bezeichnete sie als „marxistisch verseucht“. Im August 1932 gründeten die Anhänger Adolf Hitlers in Hamburg eine „nationalsozialistische Volkshochschule“. Am 24. Februar 1933 legte Adams der Schulbehörde seinen Arbeitsplan für das Sommersemester vor. Doch umsetzen konnte
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